Berlins erster Bürgerentscheid
Erstmalig können in Berlin, im Bezirk Lichtenberg/Hohenschönhausen, alle wahlberechtigten Bürger ab dem 16. Lebensjahr über den Erhalt einer Schule abstimmen! Das gab es noch nie!
Schüler, Eltern, Großeltern, ganze Familien entscheiden über die Zukunft eines Gymnasiums im Süden Lichtenbergs.
Entschieden wird dabei nicht über den Neuanstrich eines Klassenraumes und ob Sie diesen auch gleich selbst malern wollen, entschieden wird auch nicht über das Ziel des nächsten Wandertages und ob Sie sich dort für das Grillen der Bratwürste verantwortlich fühlen könnten, auch wie die alljährlichen Laubberge rund um das Schulgelände bewältigt werden, steht nicht zur Diskussion. Nein, Sie entscheiden, ob das Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium an seinem Standort am Römerweg erhalten bleibt.
Seit dem Sommer 2005 gibt es nun auch in Berlin die Möglichkeit, durch Bürgerbeteiligung, politische Entscheidungen zu revidieren. Darüber sind wir sehr froh, denn Eltern sind die wichtigsten Partner der Schulen und haben neben ihrem Engagement nun auch ein entscheidendes Mitspracherecht.
Für viele Bürger wird es nicht leicht sein, sich aus der Flut von Informationen zu diesem ersten Bürgerentscheid eine Meinung zu bilden. Sollten Sie die Veröffentlichungen in Presse und Internet verunsichern, fragen Sie uns, die Betroffenen. Auch wir wissen, dass sinkende Schülerzahlen unweigerlich zu neuen Überlegungen in der Schulpolitik führen müssen, doch wir erwarten eine sensible Herangehensweise an diese Problematik. Wir vermissen die ernsthafte Auseinandersetzung über Alternativen und wir wehren uns gegen formale Anhörungen. Die Kommunalpolitik kann auf engagierte Bürger nicht verzichten. Das ist zwar unbequem, aber für das Wohl einer demokratischen Gemeinschaft unerlässlich. Kommt dieser erste Bürgerentscheid Berlins zum Erfolg, ist das Ansporn und Ermutigung zum aufrechten Gang!
Es ist unvernünftig, sagen einige Politiker. Es ist, was es ist, sagen wir Eltern.
Begründung und Ziele des Bürgerentscheids
Die notwendige Schul“entwicklungs“planung unseres Bezirks darf vom Bezirksamt nicht von vornherein als reine Schul“schließungs“planung verstanden und gehandhabt werden.
Aus dem Bürgerentscheid folgt deshalb keinesfalls eine automatische Schließung oder Aufteilung anderer Schulen. Wir Eltern wehren uns gegen diese Behauptung!
Statt den falschen Bezirksamtsbeschluss aufzuheben und damit den Weg freizumachen für offene und gleichberechtigte Gespräche zu einer friedlichen Konfliktlösung und zum Erhalt der Bildungsangebote, fällt dem Bezirksamt nichts anderes ein, als erneut zu drohen. Entweder würde das Coppi-Gymnasium seinen Standort in Karlshorst verlieren oder das Kant-Gymnasium würde aufgeteilt. Nein, genau das ist nicht das kreative Denken, das wir einfordern!
Wir wollen keine Sonderstellung des Coppi-Gymnasiums zu Lasten der anderen Schulen. Diese Unterstellung finden wir unfair. Wir wollen faire Verhandlungen auf Augenhöhe!
Die Ziele des Bürgerentscheids sind:
- dass mit dem Bürgerentscheid, für dessen Zustandekommen in kurzer Zeit schon mehr als 11.000 Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme gegeben haben, eine Aufhebung des Bezirksamtsbeschlusses erreicht und eine Neubewertung der Situation möglich wird.
Wir treten für eine langfristige Planungssicherheit bei der Schulentwicklung ein. Dafür müssen Eltern und Schüler die notwendigen Entscheidungen aber mitgestalten und nachvollziehen können.
Leider wurden in der Vergangenheit immer weniger Kinder geboren. Das hat zur Folge, dass es für den Süden Lichtenbergs in den nächsten Jahren nicht genug Schülerinnen und Schüler für drei Oberschulstandorte gibt. Diese Einsicht bestreiten wir nicht.
Für einen möglichst breiten Konsens ist aber die frühzeitigere und ehrliche Einbeziehung der Betroffenen von großer Bedeutung. Ansonsten entstehen erhebliche Konflikte wie jetzt bei der Diskussion um die Schulen im Süden Lichtenbergs. Die zuständigen Gremien (Schulkonferenzen, Bezirksschulbeirat) wurden viel zu spät eingebunden, die Eltern viel zu spät informiert. Die Broschüre zu den künftigen Oberschulstandorten war mit dem Fusionsvorschlag und der geplanten Aufgabe des Standortes Karlshorst bereits gedruckt, bevor wir Betroffenen auch nur informiert wurden.
Und dass dies keineswegs ein Einzelfall ist, zeigen aktuell wieder die überstürzte Schließung der Oskar-Schindler-Schule in der Darßer Str. und die Proteste an der Feldmark-Grundschule in Hohenschönhausen.
Diesen Umgang des Amtes mit den Eltern lassen wir uns nicht länger gefallen. - dass die Angebote aller drei Gymnasien in Lichtenberg-Süd (Coppi-Gymnasium, Kant-Gymnasium und Forster-Gymnasium) trotz zurückgehender Schülerzahlen erhalten bleiben,
das Musikprofil des Coppi-Gymnasiums, das besondere mathematisch–naturwissenschaftliche Profil des Forster-Gymnasiums und das humanistische Profil des Kant-Gymnasiums, die in den Bezirk und weit darüber hinaus wirken und damit zu einem Markenzeichen Lichtenbergs geworden sind.
Der bisherige Bezirksamtsbeschluss sichert das nicht. Dieser Beschluss wurde Anfang 2005 gefasst. Die für die Umsetzung dieser Entscheidung notwendigen Fusionsgespräche zwischen den betroffenen Gymnasien haben aber seit nunmehr 1 1/2 Jahren faktisch nicht stattgefunden. Damit ist die eigentlich gewollte „Fusion auf Augenhöhe“, mit einem Erhalt des musikbetonten Profils des Coppi-Gymnasiums, nicht vorbereitet.
Das Bezirksamt versprach im Frühjahr 2005, sich regelmäßig über die Fusionsgespräche der Gymnasien unterrichten zu lassen und auf die Arbeitsgruppen Einfluss zum Erhalt der bestehenden Schulprofile zu nehmen. Nichts ist geschehen – keine rechtzeitigen Arbeitsgruppen, keine Fusionsgespräche! - dass es zu keinem Ringtausch der Schulstandorte mit den entsprechenden Störungen des Schulalltags und entsprechenden zusätzlichen Kosten kommt, wie es die gegenwärtige Beschlusslage des Bezirksamtes festschreibt.
Auch bei Anerkennung der Notwendigkeit, wegen zurückgehender Schülerzahlen Schulstandorte zusammenzuführen, müssen die Entscheidungen wirtschaftlich sinnvoll sein.
Warum soll das Coppi-Gymnasium aus dem Römerweg mit dem Kant-Gymnasium am Standort in der Lückstraße fusionieren, nur um einem Umzug des Forster-Gymnasiums an den Römerweg Platz zu machen? Das macht wirtschaftlich keinen Sinn, weil ein aufwändiges Umzugskarussell in Gang gesetzt würde.
Dieses Geld sollte vielmehr für die Sanierung der langfristig sicheren Schulstandorte genutzt werden. Die dort notwendigen Investitionen müssen endlich zeitnah erfolgen. - dass die Ortsteile unseres Bezirks, die einen Zuzug von Familien mit Kindern verzeichnen, ihre weiterführenden Schulen behalten.
Der vom Bezirksamt erst mit großer zeitlicher Verzögerung ab 2010 geplante Umzug des Forster-Gymnasiums hätte zur Folge, dass Karlshorst für Jahre ohne weiterführende Schule bliebe. Außerdem steht zu befürchten, dass der spätere Umzug des Forster-Gymnasiums aus finanziellen Gründen gar nicht umgesetzt und damit der Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung zum Erhalt des Standortes unterlaufen wird. - Und noch ein weiterer Grund bewegt uns zu unserem Engagement. Vor dem Hintergrund des unseligen Rufes unseres Bezirkes als Hort der Rechtsextremisten und besonderer Aktivitäten von Neo-Nazis wäre es genau das falsche politische Zeichen, den antifaschistischen Schulnamen der von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi zu tilgen.
Auch das wäre eine Folge des bisherigen Bezirksamtsbeschlusses, gegen den wir mit dem Bürgerentscheid antreten. Gesicht zeigen, heißt die Alternative!
Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger unseres Bezirks um ihre Solidarität und die Befürwortung unseres Bürgerentscheids. Es geht hier nicht nur um eine lokale Schulfrage in Lichtenberg-Süd, sondern um die Unterstützung des demokratischen Engagements von Menschen. Kommt dieser erste Bürgerentscheid Berlins zum Erfolg, ist das Ansporn und Ermutigung zum aufrechten Gang.
Vertrauensleute
Jana Gassan
Jens Freinatis
Gerrit Deutschmann
Siehe auch:
Allgemeine Informationen zum Verfahren des Bürgerbegehrens / Bürgerentscheids
Das Bürgerbegehren zum Erhalt des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums
Abstimmen! Aber wie?
http://www.buergerbegehren.de/
http://www.mehr-demokratie.de/